30 Jahre
Schauspieler
Mayfair
26.07.2024, 14:09 - Wörter:
We are invincible when we come together.
Outfit - Elektrisierend. So hatte Niall den Abend bislang empfunden. Er liebte es. Die Aufregung während er sich fertig machte, der Weg zum Ort des Geschehens, die Ankunft und die Freude seiner Fans, das Autogrammeschreiben, das Laufen über den roten Teppich, die Fotografen und die Interviews...all das machte es erst so richtig besonders. Und er genoss jede Sekunden davon. Obwohl es oft auch ein wenig einschüchternd sein konnte. Doch tatsächlich war es noch nie Panik gewesen, die Niall vor einer Premierenfeier im Odeon empfunden hatte. Das historische Kino am Leicester Square war für ihn irgendwie ein Zufluchtsort. Als Kind hatte er hier selbst oft gestanden, denn es war eben bekannt, dass Filmpremieren hier regelmäßig stattfanden. Wie oft er auch schon Filme in diesem Theater gesehen hatte, das konnte er nicht mal mehr zählen. Es war eben immer ein Erlebnis, hier zu sein. Nun aber selbst auf 'der anderen Seite' zu stehen, war immer noch etwas Besonderes für Niall und sicher nichts, was er für selbstverständlich nahm. Alltag? Von wegen. Zwei Wochen hatten verschiedene Designer ihn mit Mustern bombardiert, was er tragen sollte. Denn natürlich gehörte das perfekte Outfit auch zum perfekten Auftritt. Dass Niall es auch durchaus etwas extravagant und androgyn mochte, war lange kein Geheimnis mehr. Und auch das heutige Outfit war eben nicht der klassische schwarze Anzug, den man bei vielen anderen Vertretern seiner Kunst sehen und fast schon erwarten konnte. Er überraschte eben gerne. Die Fotos ließ er artig über sich ergehen, nachdem er Autogramme gegeben hatte, bis seine Hand schon wehzutun begann. Ein Selfie hier und nette Worte da...so ein Abend war schon toll. Da fühlte er sich auch wohl genug.
Nach dem Trubel vor dem Theater, ging es innen weiter. Ein kleiner Empfang, ein Glas Sekt, das wie von allein seinen Weg in seine Hand fand. Andere Hände, die geschüttelt werden wollten, hier und da ein paar gut gemeinte Worte und Ratschläge, ein Klopfer auf die Schulter, neue und bekannte Gesichter. Eines fiel besonders in der Masse auf, weil es Niall nicht zum ersten Mal begegnete und weil es einfach so wunderschön war, dass er nur schwer den Blick abwenden konnte. Doch seine Gedanken kannte glücklicherweise niemand, als er Adam so schamlos ansah. Gut sah er aus. Viel zu gut. Und verbot es sich doch, länger zu gucken, als angemessen war. Dass er dennoch immer wieder mal zu ihm sah, konnte er gar nicht verhindern. Kurz schaffte er es sogar, ihm im Vorbeigehen Hallo zu sagen. Die Hand gereicht, war ihre Begegnung aber auch direkt wieder vorbei und irgendwann wurde Niall zu seinem Platz geführt. Der Film, der heute Premiere feierte, zeigte ihn mal in der Rolle des Bösewichts. Tatsächlich das erste Mal, dass er wirklich gespannt auf die Meinungen der Kritiker war. Denn in seinen Augen war dieser Film seine bislang beste Arbeit. Nicht zuletzt, weil er viel Spaß während des Drehs hatte und eben eine ganz neue Seite an sich hatte kennenlernen dürfen. Für Niall war das genau der Aspekt, der ihn seinen Job so lieben ließ. Und es war manchmal eben auch einfacher, in eine Rolle zu schlüpfen als er selbst zu sein...was eventuell auf Außenstehende traurig wirken mochte, aber die wussten ja meist nichts vom inneren Zwiespalt des Schauspielers.
Auch seine Eltern hatten es zur Premiere geschafft. Nur seinen Bruder konnte Niall nirgendwo entdecken. Es wunderte ihn zwar nicht, aber er schickte Liam dennoch immer eine Karte. Egal wie unterkühlt das Verhältnis der Brüder war...dass Liam es noch so auffassen könnte, dass Niall ihm seinen Erfolg unter die Nase reiben wollte, war dem Jüngeren durchaus bewusst. Anfangs hatte das auch gestimmt, das musste er zugeben. Aber mittlerweile würde er sich wohl durchaus einfach freuen, seinen Bruder mal auf so einem Event begrüßen zu dürfen. Da es heute nicht der Fall war, saßen eben seine Eltern neben ihm, als es im Saal dunkel wurde. Und die ersten Minuten des Films blieb Niall auch artig sitzen und sah auf die Leinwand. Erst, als sich sein erster Auftritt ankündigte, entschuldigte er sich kurz und verließ den Saal. Es war wohl eine Berufskrankheit, die viele Schauspieler teilten. Niall konnte sich einfach nicht selbst auf der großen Leinwand ansehen. Er war viel zu selbstkritisch und es war immer, als würde man ein Vergrößerungsglas auf all die Fehler halten, die er gemacht hatte. Er hasste es...deshalb ging er auch nicht nur zur Toilette, wie angekündigt, sondern lief zum Hinterausgang des Theaters. Er kannte sich eben schon aus, kannte die kleine Gasse hinter dem Odeon, wo nur Mitarbeiter und Lieferanten Zutritt hatten. Und kaum dort aus der Tür getreten, zündete er sich direkt eine Zigarette an. Er rauchte nicht regelmäßig. Meist in Stresssituationen. Oder in Gesellschaft, wenn er gemütlich mit Freunden im Pub saß. Er konnte aufhören, jederzeit. Brauchte das Nikotin nicht, um über den Tag zu kommen. Doch jetzt merkte er beim ersten Zug schon, wie es seine Nerven beruhigte und die Anspannung etwas von ihm abfiel. Er atmete tief durch. Dass er nicht lange alleine blieb, überraschte Niall durchaus, doch der blonde Schopf, der sich durch den Türspalt schob gehörte zu dem wohl schönsten Mann des Abends, weshalb er sich keinesfalls beschweren würde. "Adam...", kam sein Name über Nialls Lippen und er fischte direkt nach seiner Zigarettenschachte, um sie dem Anderen hinzuhalten. "Das landet aber bitte nicht auf Social Media.", scherzte er und zückte im nächsten Moment schon das Feuerzeug aus seiner Hosentasche.